"Der Chronist der Winde"
("Comédia infantil", 1995)

 

Autor:
Henning Mankell


Titel:
"Der Chronist der Winde"
Verlag:
Zsolnay Verlag (272 Seiten / Hardcover)
Erscheinungsdatum:
Juli 2000


 

Autor:
Henning Mankell


Titel:
"Der Chronist der Winde"
Verlag:
dtv (272 Seiten / Taschenbuch)
Erscheinungsdatum:
April 2002 (Erstausgabe) / Juli 2007 (Neuauflage)


 

Titel:
Henning Mankell - "Der Chronist der Winde"
Gelesen von Edgar M. Böhlke

 

 

5 CD, Laufzeit: 321 min.
Erscheinungsdatum:
17. August 2007

 

 

kurzbeschreibung



Nelio, ein zehnjähriges Straßenkind, erzählt um sein Leben. Er liegt mit einer Schusswunde auf dem Dach eines afrikanischen Hauses und weiß, dass er sterben wird, sobald seine Geschichte zu Ende ist. Er erzählt, wie die Banditen sein Dorf überfielen, seine Schwester massakrierten und ihn zwingen wollten, seine Verwandten zu töten. Wie er floh, den Weg in die große Stadt fand und Anführer einer Bande von Straßenkindern wurde. Vor allem aber erzählt er vom Leben dieser schwarzen Kinder.

Mankells Liebeserklärung an die Straßenkinder seiner afrikanischen Wahlheimat weicht der Wirklichkeit nicht aus und ist dennoch voller Hoffnung: ein Pakt der kindlichen und der poetischen Fantasie.

 

 

leseprobe



- Eine Leseprobe zu diesem Roman finden Sie hier -

 

 

essay



Nelio - ein Heiland?

Der Autor Henning Mankell ist 1948 geboren. Er ist für seine Bücher über Kommissar Kurt Wallander bekannt, aber er hat auch Kinder- und Jugendbücher geschrieben. In seinem ersten Roman ”Bergsprängaren” (Der Bergsprenger), der 1973 erschienen ist, berichtet er über die Verlierer der Wohlstandsgesellschaft aus Sicht der normalen Arbeiter. Im ”Comédia infantil” (Der Chronist der Winde), der im Ordfronts förlag 1995 erschienen ist, ist die Handlung nach Mosambik verlegt, wo Henning Mankell selbst wohnt.

Der Hauptfigur des Buches ist ein armes Kind, das Nelio heißt. Banditen drängen in sein Dorf ein, zerstören und töten. Anstatt auf Befehl des Banditenführers einen gleichaltrigen Jungen zu erschießen und ein minderjähriger Kindersoldat zu werden, erschießt er den Banditen und flieht in Richtung Meer. In der Großstadt Maputo wird er zum Anführer einer Bande von Straßenkindern. Während einer nächtlichen Aufführung eines Theaterstücks wird Nelio von einem Schuss ernstlich verletzt. Er wird im Geheimen von dem Bäckereiarbeiter José Vaz, der Chronist der Winde genannt wird, auf das Dach einer Bäckerei gebracht. Während der letzten Tage seines zehnjährigen Lebens erzählt er seine Geschichte.

Mankells Darstellung der Gewalt und Entbehrung ist aus der Wirklichkeit geholt. Mankell ist sicher von dem, was er in Mosambik gesehen hat, beeinflusst und er will durch seine Schilderung die Menschen zu einem größeren Einsatz für die Kinder in der dritten Welt ermutigen. Diskutabler ist die Person Nelios. Ist es wirklich möglich in der Misere so edel zu sein? Ist ein Kind mit weniger als zehn Jahren im Stande, eine Lebensweißheit, die nur sehr wenige Ältere aufweisen, zu besitzen. Nelios Person durchgeht eine Apotheose. Die Erzählung ähnelt der Zeichnung des Lebens des Gottessohnes Jesu in der Bibel. Im Mankells Buch wird das Gute in ein Kind, Nelio, verlegt. Ein Vorbild, einer der sich für andere aufopfert. "Oder, wenn schon kein Gott, so war er wenigstens ein Heiliger" (Mankell: "Der Chronist der Winde": S. 12) In Mattäus 1:21 finden wir Folgendes: ”Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden”.

Nelio galt als einer der Klügsten im Lande. "Der Präsident sollte ihn zu seinem Berater machen. Er ist der klügste Mensch, den es in unserm Land gibt." (Mankell: "Der Chronist der Winde": S. 38) Im Lukas 2: 46-48 lesen wir: ”Und es begab sich nach drei Tagen, da fanden sie ihn im Tempel sitzen, mitten von Lehrern, wie er ihnen zuhörte und sie fragte. Und alle, die ihm zuhörten, wunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten.” Vaz verzichete auf den relativ sicheren Lohn von der Bäckerei zugunsten eines höheren Zieles, nämlich in die Welt hinauszugehen und die Botschaft von Nelio zu verbreiten. Die Jünger mussten Arbeit und Herd verlassen um in die Welt hinauszugehen und Gottes Wort zu verkündigen. Wie auch Jesus seine Jünger ermahnte, gibt Nelio den Straßenkindern bestimmte moralische Normen nach denen sie sich zu richten hatten. Als sie im Hause des dänischen Beistandsarbeiters feiern, sagt Nelio "Und wir werden nichts kaputtmachen." (Mankell: "Der Chronist der Winde": S. 163) Er ermahnt wenn es nötig ist.

Anstatt sich wegen der Schusswunde zum Krankenhaus transportieren zu lassen, trägt er neun Tage lang auf dem Dach seinen Todeskampf aus. Zwischen den Zeilen scheint durch, dass sein Tod bestimmt ist und dass er sterben muss, was einem höheren Zweck dient. Im Matthäus 26:18 sagt Jesus: ”Meine Zeit ist nahe”. Sein qualvoller Tod am Kreuz wird in den Vorgang einer höheren Bestimmung eingefügt. Als Nelio stirbt schüttelt sich die Erde und die Ritterstatue auf dem Marktplatz zerfällt. "Ich begriff, dass das Beben stark genug gewesen war, um den Sockel der schweren Statue zu sprengen.” (Mankell: "Der Chronist der Winde": S. 258) Als Jesus am Kreuz seinen Geist verliert, geschieht etwas. Matthäus 27:51: ”Und siehe, der Vorhang im Tempels zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus. Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, …”.

Es ist schwierig das Buch nicht von Anfang bis zum Ende zu lesen. Die lockere Sprache und die dramatische Erzähltechnik tragen dazu bei, dass es weit entfernt von sentimentalen Novellen oder dem Genre der Gewaltfilme ist. Mankells Buch fehlt ein klares religiöses Profil, was sicher seine bewusste Wahl ist. Es treibt keine Mission eines besonderen Glaubens, sondern gehört eher den allgemeinen humanistischen Bastionen an. Der Glaube an die Geister der Vorfahren und Curandeiros, eine Art Medizinmänner, helfen uns nur, die Erzählung geografisch einzuordnen. Mankell zeigt keine Lösung. Keine politische oder religiöse.

Mankells Schilderung des Bösen und Guten ist nicht ganz in schwarz - weiß gemalt, was der Erzählung eine Realitätsnähe verleiht und die Glaubwürdigkeit verstärkt. Nicht alles war schlecht während der Kolonialzeit. Die Straßenkinder begehen Diebstähle. Nelio fordern sie zur Enthaltsamkeit auf, aber er nimmt an den Diebstählen teil. Kindersoldaten und stehlende Straßenkinder sollen natürlich nicht so streng wie Erwachsene verurteilt werden. Wenn auch fast niemand unter den jetzigen Umständen so edel wie Nelio werden könnte, so ist die Romanfigur des Nelio in Mankells ergreifendem Buch als Vorbild in einer zynischen und kriegerischen Welt zu verstehen. In dieser säkularisierten Zeit verkörpert Mankell das Gute in dem Kind Nelio, um die Menschen zum Nachdenken anzuregen und auch zu zeigen, dass es das Gute und Hoffnungsvolle gibt. Ohne dies kann die Welt nicht besser werden. Ohne Hoffnung und Gutes gibt es kein positives Ziel, das anzustreben wäre.

Iver Livendahl

 

 

pressestimmen



  • "Natürlich stehe ich zu allen meinen Büchern, aber dieser Roman hat einen besonderen Platz in meinem Herzen." Henning Mankell

 

  • "Ich wünsche diesem Roman besonders viele Leser." Michael Schmid-Ospach, Kulturweltspiegel

 

  • "Mankell hält sich bemerkenswert fern von aller Leitartikelei, fern auch von übertrieben drastischer Elendsbeschreibung. Mankell betreibt poetischen Realismus. Und gerade damit übermittelt er mehr vom wahren Kern Afrikas als mehrere Wochen Tageszeitungsberichterstattung. ... Ohne Pathos, ohne Kitsch hat Henning Mankell den Straßenkindern Afrikas Stimmen, hat ihnen Gesichter, Würde gegeben, sie aus der Anonymität geholt und zu Menschen gemacht. Wer immer dem Chronist der Winde zugehört hat, wird Afrika anders sehen." Elmar Krekeler, Die Welt

 

  • "Henning Mankells neuer Roman 'Der Chronist der Winde' ist eine Liebeserklärung an die kleinen Erwachsenen der Straße." Kathrin Prtterling, Kulturweltspiegel

 

  • "Mankell, der Spezialist für Serienmorde, hat noch eine andere Seite. Sein neues Buch ist kein Krimi. Aber keine Angst, Mankell-Fans: Wo Mankell draufsteht, ist auch ein Mankell drin." Luzia Braun, aspekte

 

  • "Mankell erzählt in seinem neuen, spannend poetischen Roman die erschütternde Geschichte afrikanischer Straßenkinder, deren kurze Lebensläufe gekennzeichnet sind von der Bestialität Erwachsener, von Heimatlosigkeit, Hunger, Diebstahl, Bettelei - und, weil der Autor Mankell heißt, letztendlich von Hoffnung." Die Woche

 

  • "Henning Mankell hat einen sehr poetischen Roman verfasst." FACTS

 

  • "Mankells Sprache ist so poetisch wie der Titel ... Ein trauriges Buch, ein bewegendes Buch." Ekkehart Rudolph, Stuttgarter Zeitung

 

  • "Einfühlsam, in kraftvoll-poetischen Bildern schildert der schwedische Meistererzähler den oft grausamen (Überlebens-)Alltag der Straßenkinder seiner Wahlheimat. ... Ein Buch, das Grenzen sprengt, Raum für Hoffnung lässt und uns still werden." News

 

  • "Mit 'Der Chronist der Winde' stellt sich Mankell als sensibler Kenner afrikanischer Vergangenheit und Gegenwart dar. (...) Nirgends findet sich peinigende Afrika-Folklore oder Sozialkitsch. Nicht wenig für ein Buch, das uns lehrt, man könne auch ohne sichtbare Flügel fliegen." Frank Dietschreit, Mannheimer Morgen

 

  • "Ein Roman, der nachdenklich macht, der nachhallt im Herzen, auch wenn man das Buch längst aus der Hand gelegt hat." Petra Pluwatsch, Kölner Stadtanzeiger

 

  • "Und da ist er wieder, der Mankell- Effekt: Dreihundert Seiten und wenige Lesestunden später legt man den Roman beiseite und wacht auf. Aus einem dieser Literarischen Träume, die kaum jemand so gut heraufbeschwören kann wie Mankell." Jörg- Christian Schillmöller, Osnabrücker Zeitung

 

  • "Auf diese Weise wird 'Der Chronist der Winde' nicht nur zu einem sehr lesenswerten, sehr traurigem Buch, sondern auch zu einer in höchstem Maße geglückten Mischung aus belegbaren Fakten und Märchenhaften." Duglore Pizzini, Die Presse

 

  • "Dieses schrecklich schöne Buch entfaltet einen einzigartigen Charme und liest sich genauso fesselnd wie seine Krimis. Wie er auf Afrika-Romantik verzichtet, meidet Mankell auch Idyllisierung von Armut, Entbehrung, Elend, und Einsamkeit dieser Kinder, deren Leben er dennoch nicht nur in düsteren Farben malt." Inge Zenker- Baltes, Der Tagesspiegel