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  • 12.09.2006:
     

    Wallander wieder auf Verbrecherjagd
     

    Autor Henning Mankell: Keine Ruhe für Wallander.
    (Foto: © DPA)
     
    Gestresst, überarbeitet, krank: Kommissar Wallander war reif für die Rente. Doch Autor Henning Mankell will seiner berühmten Figur einfach keine Ruhe gönnen. Der Ermittler kehrt zurück - und Krimi-Freunde atmen auf.

    Eigentlich wollte Kurt Wallander längst einen Schritt kürzer treten und die Jagd nach kriminellem Gesindel anderen überlassen, vor allem seiner Tochter Linda. Und stattdessen in ein Haus direkt am Meer ziehen, wenn schon nicht mit einer Frau, dann doch zumindest mit einem eigenen Hund. "Es war immer mein Traum, morgens aus dem Bett zu steigen und direkt hinaus ins Freie treten und pinkeln zu können", beichtet Wallander in seinem letzten Roman "Vor dem Frost" der Tochter, als er ein geeignetes und finanzierbares Objekt an der Küste besichtigt, direkt an einem zum Meer abfallenden Hang. Ein idealer Platz fürs Altenteil also - eigentlich.

    Es muss eine dieser dunklen Nächte im südschwedischen Schonen gewesen sein, die zu Schwermut und Melancholie verleiten, als Henning Mankell fast zehn Jahre nach seinem ersten Bestseller um den Kult-Kommissar diesen Entschluss fasste und Wallanders Vorruhestand ankündigte. Richtig geglaubt hat der Autor wohl damals schon selbst nicht daran, zumindest tief in seinem Innersten. Immerhin lässt er Tochter Linda sinnieren: "Dies ist kein Haus, in dem mein Vater seine Ruhe finden kann."

    So ist es, und die Fans von Wallander wird's freuen. "Kurt geht's gut", sagte der Bestsellerautor jetzt dem SPIEGEL, "er wird wiederkommen, keine Sorge." Mankell verriet auch schon wann: "Nächstes Jahr wird er wieder da sein." Geplanter Titel: "Der China-Mann". Dann wird der schwermütige Ermittler weiter Einsamkeit und Übergewicht, schmerzende Gelenke und den gesellschaftlichen Verfall beklagen. Und dem Bösen auf der Spur bleiben.

    Dabei wäre der Ausstieg doch sorgsam inszeniert gewesen. Zehn Bücher von ihm hätte es dann gegeben, zehn Fälle, mit denen sich Mankell in guter historischer Tradition bewegt hätte. Zehn Fälle waren es auch, mit denen das Autoren-Paar Sjöwall/Wahlöö und ihr Kommissar Martin Beck den Ruf des Schweden-Krimis begründeten. Doch dann kommt Kurt: "Warum will ich eigentlich aufs Land?", fragt sich Wallander. Eben.

    Über den Inhalt des neuesten Falles möchte Mankell noch keine Details preisgeben. Nur, dass sich Wallander-Freunde wohl sogar noch auch auf einiges mehr gefasst machen dürfen. "Kurt wird Rentner, wenn er Rentner wird", sagt Mankell, "im wahren Leben hätte er noch bis 2011 Zeit, in Pension zu gehen." Das lässt hoffen.

    Zuvor wird Vielschreiber Mankell seine Leser aber noch mit anderen Werken beglücken. Schon im September wird in Schweden sein neuester Roman erscheinen, nächsten Frühling wohl auch auf Deutsch: "Italienische Schuhe". Ein "wunderschöner Titel", schwärmt Mankell. Kein Thriller, sondern eine Geschichte über das ganz profane Leben der Menschen in Europa, mit all ihren kleinen Alltagssorgen.

    Von Manfred Ertel

    (Quelle: SPIEGEL ONLINE, Recherche: Stefan Hoffmann)

 
 

  • 05.09.2006:
     

    Mankell im Interview: "Afrika braucht die Frauen!"
     
    Aids raubt jedes Jahr Millionen afrikanischer Kinder die Eltern. Der Autor Henning Mankell versucht, die Erinnerung an die Toten zu retten. Im Interview erklärt er das Konzept der "Memory Books" und plädiert für die Emanzipation der afrikanischen Frauen.

    SPIEGEL ONLINE: Herr Mankell, seit den achtziger Jahren haben Sie Ihre Wirkungsstätte immer mehr nach Mosambik verlegt. In Maputo haben Sie ein eigenes Theater gegründet. Woher kommt die Liebe für den schwarzen Kontinent?

    Mankell: Als junger Mann wollte ich etwas von der Welt sehen. Ich habe Schweden verlassen und begonnen zu reisen. Als ich in Afrika aus dem Flugzeug stieg, fühlte ich mich dort sofort zu Hause. Ich habe dafür keine Erklärung. Ich war noch nie zuvor auf diesem Kontinent und hatte auch keine Familie oder Bekannte dort. Trotzdem war es ein Gefühl von Heimat, und das ist bis heute geblieben. Außerdem hält mich meine Arbeit am Teatro Avenida in Maputo. Es ist das einzige Theater in Mosambik und inzwischen sehr bekannt. Die Menschen in Afrika lieben das Theater, es ist eine gute Möglichkeit, sie zu erreichen.

    SPIEGEL ONLINE: In den letzten Jahren haben Sie sich verstärkt dem Kampf gegen Armut und Aids verschrieben. Im Jahr 2010 werden bis zu 40 Millionen Kinder ihre Eltern wegen der Krankheit verloren haben, ein Großteil von ihnen in Afrika. Was können wir gegen diese Entwicklung tun?

    Mankell: Zunächst müssen wir den Analphabetismus bekämpfen. Wie soll sich jemand über Aids informieren, wenn er nicht lesen und schreiben kann? Der nötige Unterricht würde nicht mehr kosten, als in Europa jährlich für Hunde- und Katzenfutter ausgegeben wird. Wichtig ist aber auch die Emanzipation der Frauen. Sie sind es, die in Afrika das tägliche Leben organisieren und die größte Verantwortung für den Zusammenhalt der Familie tragen. Aber politisch haben sie nichts zu sagen, und sie wissen meist auch nicht, wie sie sich vor Aids schützen können. Ich frage mich wo die Feministinnen sind, um die Frauen dort zu unterstützen. Afrika braucht die Frauen, in ihnen liegt die Zukunft.

    SPIEGEL ONLINE: In Uganda unterstützen Sie ein außergewöhnliches Projekt für Aids-Waisen.

    Mankell: Es gibt so viele verwaiste Kinder in Afrika, die nichts über ihre Eltern wissen. Die nichts von der Krankheit wissen, die ihre Eltern umgebracht hat. Das "Memory Book"- Projekt, das ich in meinem Buch "Ich sterbe, aber die Erinnerung lebt" beschreibe, unterstützt Aids-Kranke dabei, Erinnerungsbücher für ihre Kinder zu verfassen. Es geht darum, den Kindern eine Idee zu vermitteln, wer sie sind, von wem sie abstammen. Durch diese Bücher haben sie etwas, woran sie sich halten können, wenn ihre Eltern tot sind.

    SPIEGEL ONLINE: Wie kommen die Bücher zustande - in einem Land, in dem es so viele Analphabeten gibt?

    Mankell: Anfangs habe ich mich das auch gefragt. Aber die Menschen haben die verschiedensten Wege gefunden, um sich mitzuteilen. Sie kleben Sand in die Bücher oder machen kleine Zeichnungen. Für die Kinder werden diese Bücher dann später zu ihrem wertvollsten Besitz. Einmal habe ich in einem Dorf ein kleines Mädchen getroffen. Sie hieß Aida - nur ein Buchstabe trennte sie von Aids. Sie folgte mir einige Zeit und streckte mir schließlich ein kleingefaltetes Stück Papier hin. Sie wollte unbedingt, dass ich es mir anschaue. Als ich das Papier aufklappte, sah ich darin einen toten blauen Schmetterling. Aida sagte zu mir: "Meine Mutter liebte blaue Schmetterlinge."

    SPIEGEL ONLINE: Wie ist es für die kranken Eltern, solche Bücher zu verfassen?

    Mankell: Für die meisten ist es sehr schwer, mit dem Schreiben oder Gestalten der Bücher zu beginnen. Das eigene Leben und die eigene Familiengeschichte auf Papier festzuhalten bedeutet ja auch, sich einzugestehen, dass man an der Krankheit sterben wird. Das ist ein grausamer Prozess. Manche Mütter und Väter verfassen für jedes ihrer Kinder ein Buch, andere scheitern schon am ersten. Aber in jedem Fall sind die Bücher von unschätzbarem Wert, denn sie geben weiter, was sonst niemand dokumentiert hätte.

    SPIEGEL ONLINE: Wie gehen Sie selbst mit all den Erfahrungen und Erlebnissen um, die Sie auf ihrer Reise durch Uganda gemacht haben?

    Mankell: Es gibt Bilder und Begegnungen, die ich nie vergessen werde. Ich wache auch oft mitten in der Nacht auf und denke an all die Probleme, die wir lösen sollten. Das Schlimmste ist: Viele von ihnen hätten wir schon längst lösen können. Diese Gedanken rauben mir den Schlaf. Ich will nicht in einer Welt leben, in der kleine Kinder an Masern sterben, weil Medikamente für sie unbezahlbar sind. Das ist doch furchtbar; im Jahr 2006 sollte kein kleines Kind mehr an Masern sterben müssen!

    SPIEGEL ONLINE: Können wir von Afrika auch etwas lernen?

    Mankell: Auf jeden Fall. Zum Beispiel, dass in der Armut immer auch Reichtum zu finden ist. Oder den starken Bezug, den die Menschen in Afrika zu ihrer Geschichte haben, und die hohe Achtung vor den Verstorbenen. Ich selbst wurde in Afrika ein besserer Europäer. Egal wie lange ich dort leben werde, so bleibe ich doch Europäer, hier sind meine Wurzeln. Aber durch die Entfernung kann ich Europa aus einem anderen Blickwinkel sehen. Außerdem habe ich gelernt, mehr zuzuhören. Ein afrikanisches Sprichwort sagt: Du hast zwei Ohren und nur einen Mund - und das hat einen guten Grund.

    Das Interview führte Anne Backhaus.

    (Quelle: SPIEGEL ONLINE)


 

  • 13.08.2006:
     

    Das Dorf der Mankells - Hessische Autorenwurzeln
     

    Elisabeth Mankel aus Niederasphe liest ein Buch ihres berühmten Verwandten.
    (Foto: © ddp)

     

    Die Vorfahren des schwedischen Bestsellerautoren Henning Mankell kommen aus einem kleinen Dorf in Hessen. Dort wohnen noch heute viele seiner Verwandten - bislang freilich, ohne es zu wissen. Erst die Recherchen für eine Dorfchronik brachten jetzt die prominenten Familienbande zutage.

    Große Kriminalfälle hat Niederasphe nicht zu bieten: Im 30-jährigen Krieg wurde der Küster von schwedischen Soldaten in der Kirche ermordet, 1946 entdeckte man ein Liebespaar tot im Feld - vermutlich aus Eifersucht getötet. Seitdem weiß Bernhard Döpp, Polizist im Ruhestand, nur noch von kleinen Dieben und Nachbarschaftsstreitigkeiten zu erzählen. Das landwirtschaftlich geprägte 900-Seelen-Dorf nördlich von Marburg liegt abseits von Bundesstraßen und Bahnstrecken. Doch ausgerechnet in diese beschauliche Ortschaft führen die Wurzeln des berühmten schwedischen Kriminalschriftstellers Henning Mankell. Mindestens zehn Familien aus Niederasphe tragen seinen Namen - wenn auch am Ende ein "l" fehlt. Und noch mehr Familien aus dem Münchhäuser Ortsteil sind irgendwie mit ihm verwandt.

    Zu verdanken haben sie dies Johann Hermann Mankel, dem Ururgroßvater von Henning Mankell. Der wurde am 19. Dezember 1763 auf einem Bauernhof im Schatten der Kirche von Niederasphe geboren. In dem Gehöft wohnt bis heute ein Zweig der Mankel-Familie. Doch der junge Johann Hermann Mankel war eine musikalische Begabung. Er lernte zwar noch auf der Orgel in der Kirche von Niederasphe, zog aber schon früh fort, um als Hof- und Kappellmeister unter Herzog Carl August von Sachsen-Weimar zu arbeiten. Über Zwischenstationen in Frankreich und den Niederlanden kam er als Organist nach Christiansfeld in Dänemark. Dort hörte ihn der schwedische König Karl XIV. Johann, der ihn zum Leiter seines Militärorchesters in Karlskrona machte.

    Unter seinen Nachkommen waren Musiker, Komponisten, Opernsänger, Politiker, Maler - und der 1948 in Stockholm geborene Krimiautor Henning Mankell. Dagegen haben die Mankels aus Niederasphe ganz alltägliche Berufe. Die zehn Familien sind aber tatsächlich alle mit dem berühmten Schweden verwandt, versichert Pfarrer Friedhelm Wagner gemeinsam mit dem Heimatverein. Herausgefunden haben sie dies bei den Recherchen für ein geplantes Dorfbuch, für das sie die Kirchenbücher wälzten. Freilich ist die Verwandtschaft recht weitläufig. "Alle heutigen Mankels stammen von einem Großonkel des Auswanderers ab", sagt der Historiker Ulrich Stöhr.

    Dass die Spuren nach Schweden führen, wusste Margerete Semus, geborene Mankel, allerdings schon lange. Bereits in den sechziger Jahren tauchte nämlich ein Onkel Henning Mankells auf der Suche nach seinen deutschen Wurzeln auf. Und er freundete sich mit Margarete Semus an, die inzwischen jedes Jahr zur schwedischen Verwandtschaft nach Stockholm fährt.

    Natürlich gibt es in Niederasphe eine leicht erhöhte Leserzahl der Krimis um den Kriminalkommissar Wallander aus Ystad. Manche merken nur kritisch an, dass die Romane "schon ein bisschen grausig" seien. Direkten Kontakt zu Henning Mankell hatte allerdings keiner der Dörfler. Margarete Semus hat nur einmal bei seiner Ehefrau Eva Bergman - Tochter des Regisseurs Ingmar Bergman - angerufen, um nachzufragen, ob sie Mankells Wurzeln bekannt machen dürften. "Kein Problem", beschied die Theaterregisseurin, die die Recherchen aus Niederasphe sehr interessant fand. Den preisgekrönten Schriftsteller selbst zu einem Besuch einzuladen, "das haben wir uns noch nicht getraut", sagt der Pfarrer. Aber noch vor Weihnachten soll die neue Dorfchronik vorgestellt werden. Und wenn Henning Mankell dann tatsächlich nach Niederasphe kommt, wollen die Bürger eine Erinnerungstafel für den Auswanderer und seinen berühmten Nachkommen aufhängen.

    von Gesa Coordes, ddp.

    (Quelle: SPIEGEL ONLINE)

 
 

  • 26.07.2006:
     

    "Wallanders erster Fall" mit Rolf Lassgård
     
    SVT dreht einen letzten Wallander-Film mit Rolf Lassgård in der Hauptrolle. Zwölf Jahre lang hat Rolf Lassgård (51) Polizeikommissar Kurt Wallander in Filmen und in SVT-Serien gespielt, alle nach Henning Mankells Romanen. Vor kurzem wurde die DVD-Version von 'Steget efter' ('Mittsommermord') in Schweden veröffentlicht und im Herbst sendet SVT den Film 'Brandvägg' ('Die Brandmauer'), der im letzten Winter gedreht wurde. Nun wird auch Henning Mankells Kurzgeschichtensammlung 'Wallanders erster Fall und andere Erzählungen' verfilmt. "Es wird Spaß machen, die Sache zu Ende zu bringen und auch noch das letzte Buch zu drehen", sagt Rolf Lassgård. "Es wäre einfach toll, alle Bücher der Romanreihe gedreht zu haben."
     
    In 'Wallanders erster Fall' geht es um den jungen Kurt Wallander. "Kurt Wallander arbeitet als Streifenpolizist. Er erlebt die Revolte der 60er, er trifft seine zukünftige Frau Mona", sagt Martin Persson von 'Tre Vänner', die den Film produzieren werden. "Auch wenn Lassgård die selbstverständliche Besetzung in der Rolle ist, kann er natürlicherweise nicht den jungen Wallander spielen." "Nein, aber ich kann daliegen und über mein Leben nachsinnen", sagt Rolf Lassgård. "Ich hatte einen Kollegen, Svedberg, der mir unerhört viel bedeutete. Ich kann an Maja Thysell denken und daran, wie ich sie zum ersten Mal getroffen habe."

    Es wird eine Geschichte voller Lebenserinnerungen, Filmausschnitte und Rückblicke werden. "Es ist spannend, mit einer Rolle zu altern, neben ihm, zusammen mit ihm", sagt Rolf Lassgård. "Was in 'Wallanders erster Fall' einfließen kann, sind Fragen wie: Was man mit seinen letzten Jahren anstellen soll, wie das Leben gewesen ist und ob es am Ende gut geworden ist." Wann die Dreharbeiten zu 'Wallanders erster Fall' beginnen sollen, ist momentan noch unklar.

    Von ÅKE LUNDGREN

    (Quelle: Expressen, Recherche: Martina Andres, Übersetzung: Anja Hoppe)

 
 

  • 07.07.2006:
     

    wallander-web.de geht in die Sommerpause
     
    Vom 7. Juli bis 30. September 2006 befindet sich die Redaktion der "Kommissar-Wallander-Fanpage" in der Sommerpause. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass e-mails daher nur mit zeitlicher Verzögerung beantwortet werden können. Wir wünschen allen Besucherinnen und Besuchern von wallander-web.de einen schönen Sommer und würden uns freuen, Sie schon bald wieder auf unseren Seiten begrüßen zu dürfen!

 
 

  • 27.05.2006:
     

    "Wie Wallander sich entwickelt" - Mankell im Interview

     
    Es gab nur einen, dem Henning Mankell seinen Kommissar Wallander zutraute: Rolf Lassgård. Jetzt wird er von Krister Henriksson abgelöst. Mankell über die Figur und ihren Wandel. Von Olaf Neumann
     
    Henning Mankell, 58, gehört mit 22 Millionen verkauften Büchern zu den Weltstars der Kriminalliteratur. In seinen Romanen um Kommissar Kurt Wallander zeigt der Schwede drastisch, wie sich die Gesellschaft verändert hat. Das gilt auch für die neue 13-teilige Reihe "Mankells Wallander", die Mankell speziell fürs Fernsehen geschrieben hat. Auftakt ist am 2. Juni in der ARD der Film "Vor dem Frost" nach dem gleichnamigen Bestseller. Mankell erzählte uns, warum ihn der Wallander auch nach über 15 Jahren nicht loslässt.
     
    JOURNAL: "Die Verfilmungen Ihrer Krimis sind Publikumsrenner. Mittlerweile gibt es sogar zwei Wallander-Darsteller: Rolf Lassgård ermittelt seit Jahren im ZDF, im Juni bekommt er Konkurrenz von Krister Henriksson im Ersten. Ergänzen sich die beiden?"
    HENNING MANKELL: "Als vor 15 Jahren die Wallander-Romane verfilmt werden sollten, stimmte ich zu. Bedingung: Ich bei der Besetzung das letzte Wort. Ich entschied mich für Rolf Lassgård. Er kommt als einziger für die klassischen Wallander-Romane in Frage. Für die ARD habe ich neue Geschichten ausgedacht. Durch die Figur der Tochter Linda beginnt eine neue Ära mit dem Schauspieler Krister Henriksson als Wallander. Ich finde das wundervoll."
     
    JOURNAL: "Wallander ist eine komplexe Persönlichkeit. Wie stellt man ihn authentisch dar?"
    MANKELL: "Eine Figur ist nur glaubwürdig, wenn sie sich verändert. Deshalb habe ich Wallander immer wieder neue Meinungen und neue Krankheiten gegeben. Henriksson hat diesen Aspekt clever in seine Darstellung übernommen. Ich habe ihm geraten, an dem Charakter neue Seiten zu entdecken, die selbst ich nicht kenne."

    JOURNAL: "Warum haben Sie Wallanders Tochter Linda so viel Raum gegeben?"
    MANKELL: "Die spannendsten Konflikte und Widersprüche unserer Gesellschaft liegen zwischen den Generationen, vor allem Eltern und Kindern. Ich wollte Wallander dabei zeigen, wie er von seiner Tochter herausgefordert wird. Linda gibt mir die Möglichkeit, ihrem Vater völlig neue Seiten abzugewinnen."

    JOURNAL: "Fiel es Ihnen schwer, aus der Perspektive einer Frau zu schreiben?"
    MANKELL: "Ich bat eine Polizistin, für mich ein Geheimtagebuch zu führen. Es war interessant, das zu lesen: Es gibt Bereiche, in denen weibliche und männliche Polizisten unterschiedlich handeln. Etwa, wenn ein Selbstmörder vom Dach springen will. Da schickt man eine Polizistin. Frauen sind einfach leidenschaftlicher."

    JOURNAL: "Was macht Sie eine gute Literaturverfilmung aus?"
    MANKELL: "Wenn man den Filmleuten Freiheiten lässt, kommen die besten Ergebnisse. Versucht man, ein Buch eins zu eins umzusetzen, wird das meistens nichts. Literatur und Film sind zu verschieden. Deshalb sage ich den Regisseuren, sie sollen ihre eigene Lösung finden. Selbst wenn sie dabei etwas an meinen Geschichten ändern müssen."

    JOURNAL: "Fällt es Ihnen schwer, den Wallander in andere Hände zu geben?"
    MANKELL: "Das tue ich ja gar nicht. Ich gebe nur die Figur an Henriksson weiter. Aber sollte mir am Drehbuch etwas nicht passen, habe ich immer das letzte Wort. Ich mische mich aber nicht dauernd ein. Sobald meine Bedingungen akzeptiert sind, lasse ich sie machen."

    JOURNAL: "1990 ermittelte Wallander in seinem ersten Fall. Wie hat sich das Verbrechen seitdem entwickelt?"
    MANKELL: "Meine Geschichten werfen von Anfang an ein kritisches Auge auf die Gesellschaft. Vor 15 Jahren hätte man in Schweden noch keinen Container voller Flüchtlinge gefunden. Da hat sich also etwas geändert, das sich auf die neuen Geschichten niederschlägt. Das Organisierte Verbrechen hat sich in Europa in den letzten zehn Jahren rasant entwickelt. Auch Korruption ist stark gestiegen."

    JOURNAL: "Glauben Sie, dass Europas Gesellschaften heute umdenken und wieder Solidargemeinschaften bauen, in denen Schwache unterstützt werden?"
    MANKELL: "Ich hoffe es. Jüngstes Beispiel in Italien: Berlusconi wurde abgewählt, weil das Volk eine andere, nicht korrupte Gesellschaft haben will. Auch in Frankreich gehen junge Menschen auf die Straße, um Rechte einzufordern. In Deutschland gab es ähnliche Proteste. Es liegt an uns Wählern."

    JOURNAL: "Welche sozialen Herausforderungen gibt es in Schweden?"
    MANKELL: "Im Herbst wird bei uns gewählt, nach Umfragen werden diesmal wohl nur wenige zur Urne gehen. Deshalb sehe ich es als größte Herausforderung, Wähler zu motivieren. Wir müssen die Demokratie verteidigen, in ganz Europa. Demokratie ist nicht passiv. Zu ihr gehört, etwas zu tun oder zu sagen."

    JOURNAL: "Nicht wählen kann ein Ausdruck von Politikverdrossenheit sein."
    MANKELL: "Dagegen kann man kämpfen. Wer unglücklich mit seinen Politikern ist, kann sie abwählen. Zuhause bleiben und nichts zu tun, gilt nicht. Nur wer handelt, kann die Welt ändern."

    JOURNAL: "Ihre zweite Heimat ist Mosambik. Das Land im Süden Afrikas wurde in den 80er und 90er von Bürgerkriegen und Naturkatastrophen erschüttert. Wie stabil ist es heute?"
    MANKELL: "Die demokratische und wirtschaftliche Entwicklung vollzieht sich unglaublich schnell. Fantastisch, das zu sehen. Die Menschen haben die Möglichkeit bekommen, die Regierung mitzubestimmen. Die Demokratie ist zwar noch nicht zu 100 Prozent vollendet, aber sie wird stärker. Als ich vor 18 Jahren nach Mosambik kam, habe ich das nicht erwartet. Aber mit dem Fall der Mauer in Deutschland hat auch niemand gerechnet."
     
    (Quelle: HAMBURGER ABENDBLATT vom 27. Mai 2006, Recherche: Stefan Hoffmann)